Wenn die Geschichte keinen notwendigen Plan folgt, also nicht determiniert ist, wie Hegel und Lenin glaubten, dann setzt die Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse eine moralische Anstrengung voraus.
Zur Geschichte der bürgerlichen Moralphilosophie
Bodo Gaßmann
Zur Geschichte der bürgerlichen Moralphilosophie. Zweiter Teil der „Ethik als praktische Philosophie der Veränderung“,
Garbsen 2019.
ISBN 978-3-929245-15-8
(428 S.; Paperback; geb.; Personen- u. Sachregister; 23,- €)
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Abstrakt
Eine Ethik ist heute nur dann einsichtig, wenn sie die Dialektik von unabgegoltener Genesis und Geltung einbezieht.
Indem Hobbes das entscheidende moralische Problem der bürgerlichen Gesellschaft stellt: Krieg oder Recht und Moral, setzt er in seiner Lösung dieses Problems mittels eines Gesellschaftsvertrages den Menschen als Zweck an sich selbst (Volkssouveränität), zugleich negiert er diese Selbstzweck wieder, indem er die Bürger einem despotischen Monarchen unterstellt, der mittels Terror das Recht durchsetzen soll.
Locke kritisiert diese Unterordnung als Kriegszustand und fordert die Wahl einer Legislative und Gewaltenteilung; sein Wahlrecht gilt aber nur für die Besitzbürger, während die Arbeiterklasse in ihrem ökonomischen Status als bloßes Mittel bleibt.
Dagegen haben in Rousseaus direkter Demokratie alle Bürger Stimmrecht, aber sein Allgemeinwillen bleibt widersprüchlich, weil partikular auf Kleinproduzenten basierend.
Die Reflexion der Gefühlsmoral von Hume und Smith sowie die Nutzenmoral des Utilitarismus zeigen, dass in der neu entstehenden Sozietät Moral bestenfalls „Schmiermittel“ (Smith) der von der invisible hand fremdbestimmten Gesellschaftsmaschine sein kann.
Wie Kant in der Erkenntnistheorie eine kopernikanische Wende vollzieht, so sind seine Schlüsse aus der Ethik seiner Epoche mehr ein Bruch als eine stimmige Weiterentwicklung. Die Selbstzweckhaftigkeit wird bei ihm zum apriorischen Prinzip auch der bürgerlichen Gesellschaft, aber deren systemische Unmoral konnte er noch nicht erkennen.
Damit das Moralgesetz nicht zu einem Grund der Revolutionierung der Verhältnisse wird, hat die bürgerlichen Philosophie deshalb ihre Ethik irrationalisiert und destruiert – von Nietzsche bis Rorty. Dagegen wendet sich die kritische Gesellschaftstheorie, die immer auch Moralphilosophie ist.
"In diesem Werk wird die Geschichte der Ethik produktiv als Kritik am moralischen Nihilismus heute." Arno Kaiser
Inhalt
Vorwort
26.02.2021
nleitung 12
1. Die neue Stellung des Denkens zur objektiven
Realität: Der Nominalismus von Ockham 20
1.1. Die historischen Bedingungen des Nominalismus von Ockham 20
1.2. Nominalismus 21
1.3. Theologie 25
1.4. Politische Ordnung 26
1.5. Moral 26
1.6. Wirkung Ockhams 27
2. Die Begründung des Leviathans durch Hobbes 29
2.1. Die historischen Voraussetzungen der bürgerlichen Philosophie
im 17. Jahrhundert 29
2.2. Hobbes‘ mechanischer Materialismus und seine Methode 32
2.3. Hobbes‘ Nominalismus und sein Bezug zur Physik 33
2.4. Freiheit, Determination und Selbstbewusstsein 35
2.5. Die Rolle der Philosophie und Religion 37
2.6. Die Bestimmung des Menschen bei Hobbes 40
2.7. Der Naturzustand als Grund für den Staat 43
2.8. Hobbes radikale Versubjektivierung der Moral und
das natürliche Recht 45
2.9. Zur Begründung des despotischen Monarchen (Leviathan) 50
2.10. Zum Kontraktualismus von Hobbes 52
2.11. Kritik der despotischen Gewalt 55
2.12. Zusammenfassung und Beurteilung der hobbesschen
Philosophie 58
3. Der Besitzindividualismus von John Locke 62
3..1. Der Empirismus bei Locke 62
3.2. Abgleiten des Empirismus in den Skeptizismus und
das zerfließende Ich 65
3.3. Intuition bei Locke 66
3.4. Der Begriff der Substanz und das Problem der Verallgemeinerung
3.5. Die abstrakte Bestimmung des Menschen und
die Begründungsweise der Moral 68
3.6. Die Rolle der Vernunft bei der Bestimmung der Moral 70
3.7. Exkurs zu den Gottesbeweisen von John Locke 73
3.8. Die Moralkonstruktion bei Locke im Einzelnen 76
3.9. Die konkreten Moralgesetze 80
3.10. Kritik an der Moralkonstruktion von Locke 81
3.11. Der Naturzustand 82
3.12. Der Mensch im ursprünglichen Naturzustand als Zweck
an sich selbst, Freiheit und Gleichheit 83
3.13. Die Übergangsperiode:
Die bürgerliche Gesellschaft als Naturzustand 88
3.14. Der Naturzustand als Kriegszustand 94
3.15. Die politische oder staatlich organisierte
bürgerliche Gesellschaft 97
3.16. Hobbes und Locke und die Rolle der Moral 98
3.17. Die Legislative 99
3.18. Gewaltenteilung 107
3.19. Die Exekutive 107
3.20. Das Widerstandsrecht 110
3.21. Exkurs zu den ökonomischen Bestimmungen von Locke 116
3.22. Zusammenfassende Beurteilung der Theorie von Locke 119
3.23. Kritik des lockeschen Naturrechts und
des Naturrechts überhaupt 121
3.24. Besitzindividualismus – Einschätzung und Kritik 127
3.25. Nochmals zur Kritik der Moralkonzeption von Locke 130
4. Zur Begründung von Moral im Rationalismus
Die Philosophie von Christian Wolff 132
4.1. Erfahrung im wolffschen Rationalismus 132
4.2. Die Stellung von Wolff im Rationalismus anhand
des Problems der eingeborenen Ideen 134
4.3. Kritik der „eingeborenen Ideen“ 136
4.4. Die „Ontologie“ von Wolff 137
4.5. Kritik der Ontologie von Wolff und der Ontologie überhaupt 139
4.6. Kritik des Satzes vom zureichenden Grund in der
wolffschen Fassung 143
4.7. Kritik des Systemgedankens
Mit einer Kritik am metaphysischen (mechanischen)
Materialismus 145
4.8. Das Absolute und die Gottesbeweise 148
4.8.1. Der Begriff Gottes 148
4.8.2. Der cartesianische Gottesbeweis nach Karl Heinz Haag 149
4.8.3. Zum Gottesbeweis von Christian Wolff – der actus purus 150
4.8.4. Reflexion des Absoluten 152
4.9. Zur Moral in Wolffs Rationalismus 156
4.10. Exkurs: Die Grenzen der wolffschen Konfuzius-Interpretation 162
4.11. Eine Anmerkung zu Wolffs „Politik“ 166
4.12. Kritik an der Moralphilosophie von Wolff 171
4.13. Abschließende Beurteilung der Philosophie von Wolff 181
5. Gefühl und Vernunft in der bürgerlichen Moral 184
5.1. Affektregelung in Spinozas rationalistischer Ethik 184
5.2. Gefühl als Basis der Moral in der empiristischen Philosophie 193
5.2.1. Der moralische Sinn (Shaftesbury/Hutcheson) 193
5.2.2. Moral beruhe auf Sympathie (Smith) 197
5.2.3. Die Gefühlsmoral im sensualistischen Empirismus
von David Hume 203
5.3. Allgemeine immanente Kritik an der These
vom Gefühl als Quelle der Moral 213
5.4. Die Gefühlsmoral und die bürgerliche Gesellschaft 219
6. Die volonté générale von Rousseau 230
6.1. Der Übergang vom Naturzustand zur bürgerlichen Gesellschaft
bei Rousseau 230
6.2. Ökonomische Voraussetzungen des bürgerlichen Staates
bei Rousseau 232
6.3. Die volonté de tous und die volonté générale
in Rousseaus contrat social 234
6.4. Zu den irrationalen Momenten
der rousseauschen politischen Theorie und Moral 239
6.5. Einschätzung der volonté générale 242
6.6. Reflexion und Kritik der Interpretation der Verfassung
als Gesellschaftsvertrag 248
7. Utilitarismus 253
7.1. Zur Tradition des Hedonismus und Utilitarismus 253
7.2. Der individualistische Utilitarismus von Bentham 255
7.3. Der soziale Utilitarismus von John Stuart Mill 257
7.4. Moral im Utilitarismus 262
7.5. Realistisches, Utopisches, Illusionäres –
der Reformismus
von Mill 264
7.6. Zu den Begriffen Trieb, Bedürfnis, Interesse 267
7.7. Zum Begriff des „wohlverstandenen Eigeninteresses“ 270
7.8. Immanente Kritik am Utilitarismus 273
7.9. Der sogenannte Beweis des Utilitarismus durch Mill
als „naturalistischer Fehlschluss“ 276
7.10. Soziale Kritik am Utilitarismus 279
7.11. Eine Anmerkung zum Begriff
des „gesunden Menschenverstandes“ 282
7.12. Exkurs zum proletarischen Utilitarismus von Lenin 283
8. Die invisible hand in der Ökonomie nach Adam Smith
und ihre moralischen Implikationen nach Mandeville 289
8.1. Die invisible hand bei Adam Smith 291
8.2. Die moralische Voraussetzung der invisible hand
Die Umwertung von Lastern in Tugenden (Mandeville) 293
8.2.1. „Das Allerschlechteste sogar
Fürs Allgemeinwohl tätig war.“
Mandevilles Analyse der Moral im bürgerlichen Zeitalter 294
8.2.2. Laster und Tugend 295
8.2.3. Exkurs zur traditionellen Tugendlehre 296
8.2.4. Kritik der Tugend durch Mandeville 298
8.2.5. Die Sozialtechnik zur Erzeugung von Tapferkeit bei Soldaten 299
8.2.6. Die Laster oder Todsünden in der bürgerlichen Gesellschaft
im Einzelnen 300
8.2.7. Zum Bereicherungstrieb bei Karl Marx und Max Weber 306
8.2.8. Vom Nutzen der Unwissenheit und geistigen Trägheit
in der Arbeiterklasse 311
8.2.9. Verbrechen 315
8.3. Kritik an Mandeville 317
8.4. Die Kritik von Adam Smith an Mandeville
als Beispiel für die moralischen Illusionen des Bürgertums 319
8.5. Kritik der invisible hand 321
9. Exkurs zu den Konsequenzen, die Kant aus
der bürgerlichen Moralphilosophie vor ihm zieht 326
9.1. Die Erkenntnisproblematik: Rationalismus. Empirismus.
Transzendentalphilosophie 328
9.2. Hobbes und Kant: Krieg oder Moral 331
9.3. Zur Willensfreiheit 332
9.4. Gefühlsmoral oder Vernunftmoral.
Heteronomie oder Autonomie 333
9.5. Streben nach Vollkommenheit als oberstes Prinzip bei Wolff und
Kants Kritik daran 336
9.6. Die Vervollkommnung des Menschen nach Kant 337
9.7. Über die traditionelle Tugend vor Kant und seine Kritik daran 338
9.8. Die Bedeutung von Kants Moralphilosophie 339
9.9. Die Grenzen von Kants Moralphilosophie 340
10. Die Reflexion des Nihilismus der bürgerlichen
Gesellschaft bei Nietzsche 344
10.1. Nietzsches sensualistischer Empirismus 345
10.2. Nietzsches Abwertung der moralisch-praktischen Vernunft 346
10.3. Nietzsches abstrakte Negation des freien Willens 349
10.4. Der Willen zur Macht 352
10.5. Die Reflexion des real existierenden Nihilismus bei Nietzsche 354
10.6. Die kryptofaschistische Moral von Nietzsche 356
10.7. Zusammenfassende Kritik an Nietzsche 358
11. Die Folgen des moralischen Nihilismus 360
11.1. Praktische Folgen des Nihilismus im Faschismus
und monopolbürokratischen Kollektivismus (Stalinismus) 360
11.2. Immoralismus und Nihilismus in der bürgerlichen Philosophie
der Gegenwart (Rorty u. a.) 364
11.3. Moralischer Nihilismus in der Arbeiterbewegung 372
Anhang 379
Abkürzungen 379
Anmerkungen 380
Literatur 389
Personenregister 412
Sachregister 414
Zeittafel 426
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